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Erfolgreicher zweiter Fachtag des KSR in Bad Wildbad
von Götz Bechtle
„Neues in der medizinischen und pflegerischen Versorgung“ war das Thema des zweiten diesjährigen Fachtags des Kreisseniorenrats (KSR) Calw, zu dem dieser ins Forum König-Karls-Bad in Bad Wildbad eingeladen hatte. Nicht zufrieden waren die Veranstalter mit dem Besuch, da der KSR immerhin zehn örtliche Seniorenräte in den Städten und Gemeinden des Landkreises aufweist und dieses Thema zudem eigentlich jeden verantwortungsbewussten Menschen betrifft.
Zweimal jährlich wolle man mit den Fachtagen Themen in den Mittelpunkt stellen, die nicht nur Senioren beträfen,, betonte KSR-Vorsitzender Eberhard Fiedler in seiner Begrüßung. Man
habe auch für diesen Fachtag, der erste fand in Bad Liebenzell im Frühjahr statt, kompetente Referenten gewinnen können, was sich auch im Laufe dieses Fachtages deutlich zeigte. Den Sponsoren des Fachtages dankte Fiedler besonders.
„Diese Fachtage sind wichtig,“ betonte auch Norbert Weiser, Dezernent beim Landratsamt Calw, in seinem Grußwort, denn es gebe dabei die Möglichkeit diese Themen ausführlich anzusprechen.
Zum Thema Kreiskrankenhäuser wies Weiser darauf hin, dass die Nagolder Klinik bereits saniert würde, während in Calw der „Klinik-Campus“ im Stammheimer Feld geplant sei. Nicht zufrieden zeigte sich Weiser mit der hausärztlichen Versorgung, die immer schwieriger werde, Deshalb habe man vom Landkreis das Stipendiatenprogramm gestartet, um die Gemeinden in ihren Bemühungen zu unterstützen, außerdem würde die Pflege-Versorgung verbessert.
Auch Bad Wildbad Bürgermeister Mack lobte das Engagement des Kreisseniorenrats und wies auf den Gesundheitsbereich der Stadt hin.
Über zwei Drittel werden von Angehörigen gepflegt
Thaddäus Kunzmann, seit März 2017 Demografiebeauftragter des Landes, zeigte sehr ausführlich den demografischen Wandel in Baden-Württemberg auf, wobei er speziell das unterschiedliche Wachstum der Landkreise und der Gemeinden ansprach. Ohne Zuzug würde sich, statistisch gesehen, in den nächsten vier Generationen die Einwohnerzahl des Landes halbieren, da die Geburtenrate bei 1,57 Kindern je Frau nicht ausreiche, was wiederum den Fachkräftemangel vergrößere. Deshalb sei der Zuzug sehr wichtig, wobei das Wohnraumangebot, die Mobilität, die Kinderbetreuung, das umfassende Schulwesen und das bis jetzt nur in wenigen Gemeinden vorhandene Breitband wesentliche Voraussetzungen seien. Auch die Versorgung, Betreuung und Pflege im Alter spiele eine große Rolle, da derzeit etwa 70% der Pflegebedürftigen noch zuhause versorgt würden, was zukünftig jedoch aus unterschiedlichen Gründen stark rückläufig sein würde.
Als positiv bezeichnete Kunzmann die flächendeckend starke Wirtschaftsstruktur des Landes, die hohe Bereitschaft und das Engagement im Ehrenamt, die reizvolle Landschaft und die starke Stellung der Kommunen.
Den Verantwortlichen „den Daumen in die Wunde legen“!
Dagegen sprächen jedoch der hohe Siedlungsdruck, die schwierige Topographie, die Schweiz als starker Wettbewerber, der Investitionsbedarf in der Infrastruktur und die oft fehlende Abstimmung zwischen einzelnen Gemeinden und Organisationen.
In verschiedenen Handlungsfeldern, so Wohnen, Versorgung, Mobilität, Gesundheit, Ehrenamt und Digitalisierung, gab Kunzmann Einblicke in die Gegenwart und die voraussichtliche Entwicklung in der Zukunft. Vorrangig sei dabei der altersgerechte Umbau des Wohnungsbestandes sowie die Barrierefreiheit in den Gemeinden.
Etwa zwei Drittel der über 75-Jährigen fühle sich wenig bis gar nicht mobil. Um hier Vereinsamung zu verhindern, wies er auf die Möglichkeiten Bürgerbus, Ruftaxi und Mitfahrorganisationen hin. „Der öffentliche Raum muss sich auf Hochaltrigkeit einstellen,“ d. h. Begehbarkeit, Ausleuchtung, Ruhebänke, öffentliche Toiletten, gut zu betretende Bahnen und Busse seien unumgänglich. Das Ehrenamt brauche Motivation und Unterstützung, die finanziellen Fördermaßnahmen müssten gebündelt und zielgerecht eingesetzt werden.
Innerhalb weniger Jahre habe sich die Zahl der digitalen Geräte verdoppelt, 50 Mbit seien in fünf Jahren veraltet. Kunzmanns Forderung: flächendeckendes Glasfasernetz für jedes Haus, ebenso flachendeckendes 5 Gbit im Funknetz entlang der Straßen.
In der sich anschließenden ersten Fragerunde ging es selbstverständlich um die Nachhaltigkeit der gesundheitlichen und pflegerischen Entwicklung, wobei Kunzmann durchaus empfahl, den Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft „den Daumen in die Wunde zu legen.“
178 Versorgungsassistentinnen im Nordschwarzwald
Jürgen Jakob, Berater des Arztpartner-Service der AOK, stellte anschließend das AOK-Hausarztprogramm und die VERAHs vor. VERAH (= Versorgungsassistentin in der Hausarztpraxis), so Jakob, sei eine innovative Form der Patientenversorgung, an der HZV (hausarzt-zentrierte Versorgung) rund 4000 Ärzte in Baden-Württemberg teilnähmen und die seit einem Jahrzehnt bestehe. Mit der VERAH soll der Hausarzt entlastet und gleichzeitig eine qualitativ hochwertige Versorgung des Patienten sichergestellt werden. Einfach ausgedrückt, eine speziell dafür ausgebildete medizinische Fachangestellte der Arztpraxis sucht bei Bedarf den Patienten zuhause auf, um verschiedene sonst nur in der Praxis durch den Arzt vorgenommene Behandlungen und Beratungen durchzuführen. Zuvor muss jedoch diese Fachkraft ein 200stündiges Fortbildungskonzept absolvieren, das mit einer Abschlussprüfung endet. Im Nordschwarzwald beteiligen sich an dieser Einrichtung, die jedoch praxisbezogen ist, 191 HZV-Ärzte mit 178 VERAHs und 32 VERAH-Mobilen.
Mehr Einrichtungen zur Tagespflege
Über die Tagespflege, die im Grunde immer notwendiger wird, da zum einen die Menschen immer älter werden und die Angehörigen aus verschiedenen Gründen die häusliche Pflege der Betroffenen nicht mehr leisten können, referierte Karin Stumpf vom Landratsamt Calw, die für den Bereich Soziales zuständig ist. Die häusliche Pflege wird heute noch überwiegend durch Angehörige oder Nahestehende durchgeführt, wofür es von der Pflegekasse auf Antrag entsprechende finanzielle Unterstützung gibt.
Weitere Möglichkeiten, die Stumpf vorstellte, sind ambulante Pflegedienste, ambulante Pflege-Wohngemeinschaften, Pflegeheime, Einrichtungen zur Tages- und Nachtpflege sowie Hilfen zur Unterstützung im Alltag. Im Landkreis hätten vor zwei Jahren zehn Tagespflegeeinrichtungen bestanden, inzwischen seien es 14, die entsprechend der geographischen Struktur vor allem in der östlichen Hälfte des Landkreises lägen, derzeit stünden 207 Plätze für Tagespflege zur Verfügung. Zur Beratung wies Stumpf auf den vom Landkreis eingerichteten Pflegestützpunkt hin, der regelmäßig in allen Kreisgemeinden kostenlose Sprechstunden habe, außerdem über das Landratsamt erreichbar sei.
Neuweiler: Vorbild für die Region
„Man muss das Heft selbst in die Hand nehmen,“ stellte Anita Burkhardt aus Neuweiler fest, was dort auch geschehen ist. Anita Burkhardt ist Vorsitzende des vor einigen Jahren gegründeten Vereins „Miteinander und Füreinander in Neuweiler“ die mit der „Herbstrose“ selbst eine sog. solitäre Tagespflege geschaffen hat, eine „wirtschaftlich, räumlich und organisatorisch selbständige Einrichtung mit eigener Konzeption und ausschließlicher Nutzung durch Tagespflege-Gäste,“ wie zuvor von Karin Stumpf erläutert worden war. Der Verein, so Anita Burkhardt, hatte bei seiner Gründung 23 Mitglieder, inzwischen sind es 154. Was in Neuweiler geschaffen wurde und wie dies funktioniert, ist einmalig und nachahmenswert, wobei Burkhardt umgehend darauf hinwies, dass das Wichtigste dabei eine Pflegedienstleiterin „vom Fach“ sei. 15 angestellte Mitarbeiterinnen beschäftigt die dortige Tagespflege, viele Ehrenamtlichen helfen mit, dass die Besucher der Herbstrose fünf Tage in der Woche bestens betreut werden, wodurch die Angehörigen entlastet werden. Ein Fahrdienst des Vereins holt die Besucher ab und bringt sie am Spätnachmittag wieder bis in ihr Zuhause zurück. Vor einigen Monaten zeigte der NDR im ARD einen Beitrag über die „Herbstrose“, wodurch dieser Seniorentreff bundesweit bekannt wurde. Für Interessierte: Auf der Homepage des Vereins ist dieser sehr aufschlussreiche TV-Beitrag unter „Aktuell“ zu finden. Anita Burkhardt erwähnte abschließend, dass man sich auf dem bisher Geleisteten und Erreichten nicht ausruhen wolle, sondern beabsichtige, im kommenden Jahr eine Bürger-Genossenschaft zu gründen, um im früheren Gasthof Lamm betreute Wohnungen einzurichten. Der anhaltende Beifall der rund 40 Besucher des zweiten KSR-Fachtages 2018 für Anita Burkhardt und die Herbstrose bewies die hohe Anerkennung für diese selbst initiierte und geschaffene Einrichtung, die weit über die Region hinaus große Beachtung findet.
Jedem Referat schloss sich eine Diskussions- und Fragerunde an, die der Vorsitzender des Seniorenrats Oberes Enztal Dieter Hoffmann leitete.
Viel erfahren und gelernt habe man durch diesen Fachtag, der Wichtiges vermittelt habe, betonte KSR-Vorsitzender Eberhard Fiedler in seinem Schlusswort. Sein Dank galt nicht nur den Referenten, sondern auch den Sponsoren Sparkasse Pforzheim Calw, AOK Nordschwarzwald, Annemarie Börlind, Sanitätshaus Schaible, Stadt Bad Wildbad und Landkreis Calw, sowie allen, die bei der Vorbereitung und Durchführung mitgeholfen hatten Für das kommende Frühjahr ist wieder ein Fachtag vorgesehen.
Fotos:
01 Aktiv Mitwirkende beim zweiten KSR-Fachtag in Bad Wildbad: Dieter Hoffmann, Klaus Mack, Norbert Weisser, Karin Stumpf, Jürgen Jakob, Anita Burkhardt und Eberhard Fiedler (von links)
02 Interessierte Zuhörer, jedoch viele freien Plätze
04 Thaddäus Kunzmann, Demokratiebeauftragter des Landes, gab interessante Einblicke in die voraussichtlichen Veränderungen im Senioren- und Pflegebereich des Landes.
Fotos: Bechtle